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Zu Späti für die Utopie?

Die Utopie alternativer Räume für Kultur, Politik, Konsum und gelebter Solidarität schwindet mit großen Schritten dahin. Auch die beliebte Kioskkultur - sofern es in Freiburg je wirklich eine gab - wird mehr und mehr verdrängt. Ein Kiosk oder Späti ist immer auch ein „Einrichtungsgegenstand“ seines jeweiligen Kiezes. Mikrokosmos, Soziotop, Dreh- und Angelpunkt, an dem man innehalten, verschnaufen, plaudern, sich austauschen und auch konsumieren kann. Ein informeller Umschlagplatz für heterogene und kurzlebige Information: Politik, Unterhaltung, Propaganda, angelegt auf Identität, Integration und Kommunikation, was wiederum auf das Milieu einer Stadt oder eines Stadtteils einwirkt. Entsprechend vielseitig sind die angebotenen Produkte, die Sitten und Systeme, die hier entstanden sind und fortwährend entstehen. Ich wohne in Freiburg-Stühlinger seit ich 9 Jahre alt war. Früher habe ich mich hier nie fremd gefühlt, heute ist es bisweilen befremdlich geworden. Das beliebte und vibrierende Stühlinger-Flair mit Mehrgenerationen-Nachbarschaften, Multikulturalität und kleinen Macken hat bisweilen scharfe Kanten bekommen und die Veränderungen des Stadtteils sind fast an jeder Ecke spürbar und zu sehen: Gentrifizierung, Leerstand, Mangel an sozialem Wohnraum, steigende Mieten, der Niedergang der Freiburger Club-Nachtkultur, das jähe Ende von Freiburgs erstem Späti, Kiez-Kultur-Sterben, vermehrte Polizeikontrollen und neu entstandene sogenannte "No Go Areas", .. Mit der Installation eines temporären "Utopie-Späti" bzw. "Kunst-Kiosk" möchte ich mich mit diesen Veränderungen kritisch auseinandersetzen und durch auffällige Kunst-Produkt-Platzierungen und Fotografien im Schaufenster und auch im Innenraum der Bierhandlung in der Wannerstraße 3 darauf aufmerksam machen. Dazu habe ich explizit diese Lokalität gewählt: mittendrin im Herzen des Stühlingers, gegenüber des Parks und an der belebten Achse zum Hauptbahnhof, die auch als "Einflugschneise" zur Innenstadt dient. Die Installation soll Menschen dazu einladen stehenzubleiben, hereinzukommen, sich umzuschauen und in den Diskurs zu gehen. Denn das Beispiel Stühlinger lässt sich durchaus auch auf andere Stadtteile übertragen und somit können ganz grundsätzliche Fragen gestellt werden: Wem gehört eigentlich diese Stadt? Wem gehören die Häuser, die Parks und die Plätze? Was macht ein Stadtviertel wohnenswert? Wie können wir es schaffen, ein soziales und gemeinschaftliches Zusammenleben sowie nennenswerte und nachhaltige Lebensräume zu gestalten? Denn für die Utopie ist es nie zu Späti.

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